Von La Gomera nach Teneriffa

100 Days of Freedom - Motorradabenteuer - La Gomera - Kanaren

Die letzten Stunden auf La Gomera sind angebrochen. In der Nacht habe ich tief und fest geschlafen, hätte ich mir keinen Wecker gestellt, ich wäre wohl nicht vor 10h aufgewacht. Noch vor dem Frühstück bin ich unter der Dusche und danach heißt es „Koffer packen“ – Wie ich das hasse… Aber es muss ja sein, schließlich will ich neue Abenteuer erleben und die wird es heute geben, leider viel heftiger als es mir lieb sein wird. Aber von Anfang an…

Mein Handwaschmittel ist zur Hälfte aufgebraucht und weil der Karton soviel Platz wegnimmt, wird es in einen freien ZIP-Beutel umgefüllt. Nur gut, dass ich ihn noch in Reserve habe! Weil es cool aussieht und mich an eine Ladung Kokain erinnert, wird es gleich fotografiert und bei Facebook gepostet. „Ready to sell some dope…“ schreibe ich darüber. Kurz drauf kommt mir in den Sinn, dass man das auch schwer missverstehen könnte, also schieße ich noch schnell ein Foto das zeigt, dass es sich nur um einfaches Waschpulver handelt.

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Als ich mein Motorrad fast beladen habe, treffe ich Luis vor dem Hotel. Mich freut es sehr, so haben wir noch Gelegenheit uns zu verabschieden. Beim Check-Out lerne ich später auch noch seine Mutter kennen. Für 12x Frühstück muss ich noch 72,- Euro bezahlen, das ist wirklich günstig. Die Inhaberin des Hotels möchte gern wissen wohin es nun für mich geht und so habe ich Gelegenheit ihr meine Reise kurz zu erklären. Sie findet das wirklich spannend und als ich ihr auf ihrem Computer zeige wie viele Fotos von ihrem Hotel es jetzt in meinem BLOG gibt ist sie richtig erfreut. Schnell geht es nach draußen, es muss noch ein Foto mit meinem Motorrad her.

Gegen 12h bin ich unterwegs, die Fähre geht erst um 19:30, aber das Wetter sieht gut aus, der Bordcomputer zeigt lässige 28°C und ich bin ich kurzer Hose, Turnschuhen und T-Shirt unterwegs. Allerdings habe ich heute etwas vorgesorgt und noch meine dicke Lederjacke übergezogen, man weiß hier derzeit auf den Kanaren nie wie sich das Wetter entwickeln wird.

Als ich auf dem Weg zum Hafen bei San Sebastian bin kommt es mir in den Sinn, vielleicht eine frühere Fähre zu nehmen und mein Ticket falls möglich umzubuchen. Im Hafen angekommen parke ich vor dem Gebäude in dem das ARMAS Büro ist, muss aber leider feststellen, dass der Schalter nicht besetzt ist. Gleich nebenan bei der CICAR Autovermietung ist aber jemand. Ich zeige ihm mein Ticket und frage ihn auf Englisch ob er denkt, dass man das wohl umbuchen kann. Er zeigt mit der linken Hand auf den geschlossenen ARMAS Schalter und sagt: „No problem, they open one hour vorher!“ Ich glaube mich verhört zu haben, aber er grinst schon und dreht ab in Richtung Parkplatz. „one hour vorher???“ – Ob er wohl ein Deutscher ist? Ob er mich gerade voll veräppelt hat? Ich bin nachdenklich…

Schließlich komme ich auf die Idee mit meinem Telefon zu schauen wie die Abfahrtszeiten der ARMAS Fähren sind. Die passende Webseite finde ich sofort, ich habe via Google nach „La Gomera Ferry Timetable“ gesucht. Auf der Webseite kann ich sehen, dass es Sonntags nur zwei Fähren gibt. Eine am Morgen um 7h und eine am Abend um 19:30. Mein Plan, vielleicht etwas eher nach Teneriffa zu kommen, hat sich soeben in Luft aufgelöst. Auch meinen Facebookfreund Guido kann ich nun sicher nicht mehr sehen. Er ist zu Besuch auf Teneriffa und hat mich angefunkt, ob es vielleicht auf einen Kaffee klappen könnte. Ich hatte zugesagt aber nicht bedacht, dass es wegen der Ankunftszeit der Fähre mehr als schwierig werden könnte.

Weil ich noch fast sechs Stunden habe bis die Fähre ablegt, beschließe ich noch ein wenig auf dieser tollen Insel herumzudüsen und die genialen Straßen zu „inhalieren“. So komme ich schließlich im Hafen von Playa de Santiago an. Dort gibt es am Ende der Straße ein kleines Restaurant mit roter Markise, es steht ganz groß „Don Tomate“ oben dran. Das Restaurant war mir schon bei meinem letzten Besuch aufgefallen, weil es gut besucht war. Inzwischen ist es 13:30 und ich habe jetzt auch etwas Appetit. Mit einer Pizza Serrano lässt sich das in ganz famoser Art und Weise ändern. Dazu ein Kaltgetränk und noch eines, dieser Tag könnte mein Freund werden!

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Gegen 15h habe ich den Tisch lange genug belegt und ich mache mich auf den Weg. Die Benzinanzeige steht bei 78 restlichen Kilometern. Das reicht locker bis zum Valle Gran Rey, dort könnte ich tanken und dann ganz gemütlich zurück nach San Sebastian fahren, so mein Plan!

Die Straße ist super, es geht wieder am Flughafen vorbei, allerdings bin ich diese Straße beim ersten Mal vor einigen Tagen in umgekehrter Richtung gefahren. Gleich beim Flughafen erwischen mich einige Windböen, so dass ich denke „Hoppla, das hätte auch ins Auge gehen können…“. Die Straße windet sich unaufhörlich den Berg hinauf. Mit jeder Spitzkehre wird es windiger und kälter. Irgendwann klatschen auch noch Regentropfen auf mein Visier. Es ist jetzt richtig ungemütlich und es soll noch schlimmer kommen.

Würde mich eine Polizei-Streife auf Motorrad sehen, sie würden denken ich sei betrunken, denn ich fahre arge Schlangenlinien. Aber es ist der extrem heftige böige Wind. Ich muss richtig dagegen ankämpfen und mit dem vielen Gepäck hat mein Motorrad jetzt auch deutlich mehr Angriffsfläche. Lange bevor ich den Abzweig zum Valle Gran Rey erreiche wird es auch noch neblig. Ich kann kaum 50 Meter weit schauen, das Thermometer zeigt nur noch 15°C, mir wird es langsam kühl und mein TomTom Rider zeigt bis zum Valle Gran Rey noch etwa 30 Kilometer an. An einer Stelle an der es etwas windgeschützt ist halte ich schließlich an und gebe San Sebastian in mein TomTom ein. Mit dem Benzin das ich noch im Tank habe, müsste das klappen. Meinen letzten Besuch im Valle Gran Rey schlage ich mir derweil aus dem Kopf.

Als ich bei den Los Roques ankomme, sehe ich auf der linken Seite einen grandiosen voll geilen Regenbogen. Schnell halte ich an und mache mit meiner GoPro einige Fotos. Mein Tankrucksack ist total vollgestopft, an meine Fuji X-T1 komme ich nicht heran und außerdem ist da noch der Polfilter aufgeschraubt, Polfilter töten Regenbögen!!

Also nehme ich einige Fotos auf, laufe die Straße hinunter und mache noch mehr Fotos. Plötzlich treffen mich einige richtig dicke Regentropfen. Schnell zurück zum Motorrad, sie werden mit jedem Schritt größer und als ich gerade los fahre platscht es so richtig auf mich ein. Mist Mist Mist, schnell weg hier… Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Die Reifen sind weitgehend abgefahren, es sind überall Steine, Laub und Tannennadeln auf der Straße und in einigen dunklen Spitzkehren sogar freundlich grünes Moos. „Better safe than sorry..:“ schießt es mir durch den Kopf und ich fahre lieber etwas vorsichtiger.

Als ich so richtig komplett durchweicht bin löst sich der Regen auf, es gibt auch keinen Nebel mehr und schon kann ich Teneriffa am Horizont in seiner ganzen Pracht erblicken. Alles ist nass und fies, aber egal, ich halte an und schieße wenigstens mit meinem Telefon ein paar Erinnerungsfotos.

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Als ich im Hafen ankomme legt gerade die Fähre von Fred Olsen an. Es stehen schon viele Autos und Motorräder bereit. Ich komme gerade noch rechtzeitig um ein paar Fotos mit dem Telefon aufzunehmen. Viele Leute verlassen hier auch die Fähre und es ist eine Stimmung wie am Flughafen. Überall stehen Leute mit Namensschildern und Mitarbeiter von Reiseveranstaltern die auf ihre Besucher warten.

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Als die schnittige Fred Olsen Schnellfähre ablegt, bin ich bereit vor einige schöne Video-Aufnahmen. Es gibt an der Hafenmauer zwei Türme über die normalerweise die ARMAS Gäste die Fähren verlassen. Hier habe ich mich in Stellung gebracht und will von hier aus die FRED OLSEN Fähre auf „Augenhöhe“ filmen während sie ablegt. Einige wenige Sekunden bevor es so weit ist werde ich aber von einem ARMAS Mitarbeiter herunter gepfiffen. Er will nicht, dass ich auf diesem Treppenturm herumturne. So ein Mist, warum habe ich hier bloß gut sichtbar eine Viertelstunde gewartet? Wäre ich unten geblieben und im richtigen Zeitpunkt schnell hoch gesprintet, ich wäre sicher unentdeckt geblieben.

So stelle ich meine Kamera mit dem kleinen Taschenstativ auf einen der dicken Knubbel an denen die Schiffe vertäut werden. Keine Ahnung wie man diese Dinger nennt, aber sie eignen sich sehr gut um ein kleines Stativ darauf abzustellen.

Nachdem die Fähre verschwunden ist, gehe ich in das kleine nette Café in der ersten Etage, oberhalb der Büros von CICAR und Co. Dort gibt es eine wunderbar große überdachte Terrasse und hier kann ich in Ruhe ein Bierchen trinken und mir anschauen wie langsam aber sicher die Sonne untergeht.

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Nach einer echt langen Wartezeit ist es dann endlich soweit, die ARMAS Fähre hat angelegt und die Autos fahren heraus. Etwa 30 Minuten später ist mein Motorrad sicher verzurrt. Ich habe dem einfachen Knoten nicht ganz getraut und mein Motorrad daher selbst mit meinen beiden blauen Spanngurten zusätzlich gesichert.

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Mit Blick auf den Bug des Schiffes geht es in Richtung Teneriffa. Die Überfahrt dauert etwa 60 Minuten, als wir im Hafen von Los Christianos eintreffen ist es vollständig dunkel. Beim Verzurren meines Motorrades hat mich mein „Nachbar“ angesprochen. Er ist Spanier, spricht aber sehr gut Deutsch. Wir haben uns eine Weile unterhalten und er wollte wissen wo ich schon überall mit meinem Motorrad gewesen bin. Während ich so erzähle, kommt er aus dem Staunen nicht mehr heraus und mir fällt auf, dass ich in den letzten 105 Tagen schon unglaublich viel erlebt habe.

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Als die Fähre anlegt, treffe ich ihn wieder. Er fragt mich wohin ich muss und warnt mich vor, dass es in La Laguna regnen soll. Pah ein bisschen Regen, nachdem was ich heute in den Bergen von La Gomera erlebt habe, macht mir das keine Angst mehr. Als ich dann aber sehe, dass so ziemlich alle anderen Biker in ihre Regenkombis schlüpfen wird es mir ein wenig mulmig…

Als ich die Fähre verlassen kann ist es draußen herrlich frisch und warm. Nach einigem Minuten fällt der Bordcomputer von 32°C auf nun 28,5°C. In der Fähre war es wegen der vielen heißen Motoren eine fast subtropische Hitze, schier unerträglich. Als ich mich endlich durch den Stau auf die Autobahn gequält habe bin ich der King of the Road. Es fühlt sich so geil an in der kurzen Hose, der warme Sommerwind weht mir um die Beine, es ist cool. Allerdings habe ich auch voll das schlechte Gewissen, was wenn sich ein Unfall ereignet, dann bin ich echt im Eimer, um nicht das Wort mit dem „A“ zu verwenden. Aber es macht Spaß und auch wenn das Thermometer in Richtung Santa Cruz langsam fällt, ich fühle ich mich gut. Wenn ich nur wüsste was mich noch erwartet, aber später ist man immer klüger.

Weil es sich so gut anfühlt, habe ich nicht angehalten und meine dicke Lederhose angezogen. Kurz vor La Laguna fallen dann die ersten Regentropfen und das was mich noch erwartet ist schier unglaublich. Urplötzlich schüttet es wie aus Eimern. Die Regentropfen klatschen gegen meine nackten Beine und es fühlt sich an wie tausend kleine Nadelstiche, autsch autsch autsch…. Beim Wechsel zur Autopista Norte muss ich kurz durch einen Tunnel, herrlich. Kaum bin ich wieder draußen geht es weiter und es wird immer heftiger. Der Wind schiebt mich hin und her, ich kann kaum noch etwas sehen weil das Visier von außen immer sofort wieder nass ist, egal wie oft ich auch mit dem Handschuh darüber wische.

„Fuck, womit habe ich das verdient…“ geht es mir durch den Kopf. Aber das TomTom zeigt noch etwa 40 Kilometer bis zur Finca San Juan, das schaffe ich jetzt auch noch, nasser als nass geht es ja nicht mehr. Irgendwann lässt der Regen ein wenig nach, aber als ich bei der Ausfahrt La Matanza vorbeikomme, frischt er noch ein letztes Mal so richtig auf. Es klatscht und spritzt, ich habe nasse Füße, das Wasser läuft mir in den Schritt und den Rücken herunter, einige Wassertropfen schaffen es sogar durch die Lüftung des Helms und spritzen mir im Helm in die Augen, wie fies ist das denn?

„Aber ich bin keine Memme, es ist zwar alles echt beschissen aber es ist auch ein Abenteuer und so habe ich vielleicht später eine gute Geschichte für meinen BLOG!“, geht es mir durch den Kopf. Ich bin froh, dass ich in diesem fiesen Unwetter allein unterwegs bin. Wäre jetzt meine Freundin Sandra auf einem eigenen Motorrad dabei, sie hätte sicher Tränen in den Augen und wäre der Verzweiflung nahe. Es gibt Momente im Leben, da ist man froh, dass man sie allein erleben muss und dass die Lieben glücklich daheim im Trockenen sitzen.

Als ich an der Finca Sn Juan ankomme bin ich durch und durch nass. Ohne den Helm abzunehmen watschle ich zum Restaurant hinauf. In meinen Turnschuhen fühlt es sich an als würde man am Strand durch flaches Wasser laufen. Es ist schon nach 22h und Köchin Melanie hat eigentlich schon lange Feierabend. So wundert es mich, dass im Restaurant noch das Licht brennt. Es sitzen auch noch zwei Gäste draußen, sie sagen etwas zu mir, aber ich kann nichts verstehen, denn ich habe diese guten roten Gehörschutzstöpsel in den Ohren. Im Restaurant pelle ich mich langsam aus den nassen Handschuhen und nehme den Helm ab. Puh, war das eine Fahrt, das muss man nicht jeden Tag haben…

Die beiden Gäste kennen meinen Namen und sie sagen mir, dass Melanie kurz unten den Pool abdeckt. Kaum gesagt, kommt sie auch schon in ihrem schicken Koch-Outfit grinsend aus der Dunkelheit auf mich zu gelaufen. Ich bin wirklich froh sie zu sehen. Im Restaurant hat sie schon für mich einen leckeren Käseteller zubereitet, dazu etwas Brot und Aioli. Es gibt noch eine Flasche Wasser, der Schlüssel steckt, ich kann endlich die nassen Sachen ausziehen. Das hat mich jetzt echt gerettet. Wer so lieb und umsichtig empfangen wird, dem kann auch der schlimmste Regenguss die gute Laune nicht verderben.

Ich bin so froh mit diesem Käseteller, ich einfach noch schnell ein Foto meines Abendessens bei Facebook posten, auch wenn mein älterer Bruder sich wieder darüber amüsieren und hämische Kommentare schreiben könnte. Es ist mir egal, dieses Essen habe ich mir verdient, denn ich habe heute auf dem Motorrad richtig übel dafür gelitten.

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Nach einer heißen Dusche geht es schnell ins Bett. Ich stelle mir noch den Wecker in meinem Telefon, schließlich habe ich am nächsten Tag noch viel vor mir, ich will ja noch weiter nach Gran Canaria.

Das Buch zum Abenteuer

Mein Buch zu dieser spannenden Fotoreise gibt es bei amazon.de als Kindle eBook zu kaufen. Auf 573 Seiten gibt es die vollständige Geschichte sowie 200 farbige Fotos, einige Karten und viele Tipps zum Thema Fotografie.

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Für alle die gern selbst mit ihrem Motorrad auf die Kanaren reisen wollen, habe ich ein Reiseratgeber geschrieben. Dieses Buch kann zum Preis von nur 1,99 Euro bei amazon.de als E-Book für den Kindle eReader oder die Kindle Lese-App gekauft werden.

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