Konstantfahrruckeln bei BMW R1200 GS Bj. 2013

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Schon als kleiner Junge war ich von Motorrädern begeistert. Mit 15 durfte ich das erste Mal auf einer BMW R100 RS sitzen. Damals war sofort klar, so ein Höllengerät wollte ich auch haben. Letztlich wurde daraus eine BMW R80 RT mit mageren 50 PS. Aber dieses Motorrad hat mich nie im Stich gelassen und ich habe viele tausend Kilometer damit zurückgelegt. Damals gehörte das Wort »Konstantfahrrucken« noch nicht zu meinem Wortschatz.

Viele Jahre später kam als nächstes Motorrad eine BMW R850r ins Haus. Bei annähernd gleichem Hubraum hatte der Motor nun 71 PS statt 50 PS. Endlich keine Verkleidung mehr, endlich eine moderne Bremsanlage, an diesem Motorrad war alles besser als bei der alten R80 RT, bis auf das »Konstantfahrruckeln«. KFR hat viele Ursachen, eine der Hauptursachen sind moderne Abgasvorschriften und immer stärker auf Höchstleistung ausgelegte Motoren. Weichen bei einem modernen Boxer-Motor die Justierung der Drosselklappen und anderer Parameter auf der linken und rechten Seite minimal von einander ab, laufen diese Motoren nicht richtig rund. Die Ursache ist einfach, einer der Zylinder hat mehr Bumms als sein Kollege, fiese Vibrationen sind das Ergebnis. Häufig auch ein ausgeprägtes KFR.

Das KFR tritt genau dann auf, wenn der Motor bei Drehzahlen von etwa 3.000 U/Min in einem kleinen Gang mit kurzer Übersetzung gefahren wird. Der Motor hat dann schon viel Drehmoment und durch die kurze Übersetzung wird dieses unmittelbar an den Hinterreifen weitergegeben. Wackelt man wegen einer Bodenwelle nur ganz leicht am Gasgriff, wirkt sich dies unmittelbar in eine Beschleunigung oder ein Abbremsen aus. Fiese »Klack-Geräusche« aus dem Kardan-Antrieb sind die Folge. Geht es leicht bergauf und der Motor hängt gut am Gas, gibt es kein Problem. Rollt das Motorrad stark bergab, so gibt es bei geschlossenem Gashahn auch keine Probleme. Doch genau in der Mitte zwischen Beschleunigung und Motorbremse, da ist es da, das »Konstantfahrruckeln«

Bei meiner R850r wurden die Drosselklappen der Zylinder alle paar Monate neu synchronisiert, aber das KFR kam stets nach kurzer Zeit zurück. In niedrigen Gängen bei Drehzahlen um die 3.000 U/Min war es kaum möglich mit exakt konstanter Geschwindigkeit zu fahren. Oft ruckte der Motor zickig hin und her, was echt nervig war.

Bei BMW war man sich des Problems bewußt, auch andere Motorrad Baureihen hatten damit zu kämpfen. Man unternahm viel um es in den Griff zu bekommen. Bei späteren Generationen der neuen Vierventil-Boxer wurde eine Doppelzündung verbaut. Auch der Hubraum wurde schrittweise von 1100 auf 1150 bis 1200 ccm vergrößert. All dies waren Antworten auf ein Problem, das es früher nicht gab, das KFR.

Schließlich hat mich diese »Eigenart« meiner R850r so genervt, dass ich sie gegen eine BMW K1200r Sport eingetauscht habe. Und weil das Ding so geil war, habe ich gleich noch ein zweites Exemplar für meine Freundin Sandra gekauft.

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Diese »Krafteier« setzten nun 163 PS aus »nur« 1200 ccm frei. Sobald man den Hahn aufriss, ging es bestialisch vorwärts. Es war sowas von geil, mit diesen Motorrädern konnte man richtig schnell fahren. Aber langsam zu fahren, das war eine echte Herausforderung, denn auch hier war es wieder da, das KFR.

Doch die Vorteile dieser Motorräder wogen dieses kleine Makel mehr als aus. Und so gewöhnte ich mir an, bei Fahrten durch Ortschaften nicht im 2. Gang bei 4.000 U/Min zu fahren, sondern stattdessen das Motorrad im 5. Gang bei leicht gespanntem Gaszug durch die Ortschaften rollen zu lassen. Sobald der Motor begann zur Rucken, zog ich die Kupplung und lies das schwere Ding einfach rollen, bis es wieder bergauf ging und ich den Gaszug wieder straffen konnte. Eine Fahrweise, die sich bewährt hat und mir in Fleisch und Blut übergegangen ist.

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Bei längeren Etappen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen zwischen 40 und 50 km/h lasse ich heute meine großen Vierzylinder im 5. Gang rollen. Ab 50 km/h schalte ich häufig bereits in den 6. Gang. Die Übersetzung ist dann extrem lang und der Motor läuft bei nur 2.000 U/Min. Wegen der niedrigen Drehzahl entwickelt er wenig Drehmoment und leichtes Rucken am Gasgriff wirkt sich, wegen der trägen Konstruktion mit Gaszügen, nicht unmittelbar aus.

Mit dieser Fahrweise bin ich viele Jahre lang gut klar gekommen und meine blaue K1200r Sport hat mich sogar bis auf alle Inseln der Kanaren begleitet.

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Während meiner großen Motorradreise »100 Days of Freedom« habe ich mir allerdings täglich ein besseres Gepäcksystem und eine entspanntere Sitzposition gewünscht. Da meine Freundin Sandra inzwischen mit ihrer BMW F800r sehr glücklich ist, habe ich mich daher im April 2018 entschlossen mein weißes Mädchenmotorrad mit entsprechendem Aufpreis bei BMW in Bonn gegen eine gebrauchte R1200 GS Baujahr 2013 einzutauschen. Auf dem nächsten Bild sieht man sie im Verkaufsraum bei BMW in Bonn.

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Schon einige Tage später war ich mit meinem neuen großen »Reisedampfer« unterwegs und es war wieder da, das Gefühl wie damals mit meiner R80 RT. Die Sitzposition ist überaus entspannt, der Lenker hoch, der Rücken gerade und die Übersicht famos. Auf der GS kam ich mir sofort wie ein waschechter »Roadmaster«. Doch schon nach der Heizerei der ersten Stunden kam die Ernüchterung, als ich versuchte »gesittet« mit dieser GS durch die Gegend zu rollen.

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Reißt man ständig den Gashahn auf, geht das Ding wirklich gut vorwärts, aber mit exakt Tempo 60 über die Wachtberger Landstraße zu schleichen, das war mir zunächst nicht möglich. Nach einigen Tagen war ich sogar fast soweit, die GS wieder zurückzugeben. Doch ich wollte den Technikern von BMW zunächst noch eine Chance geben. Also ab in die Werkstatt. Bei ausführlichen Gesprächen mit dem Werkstattleiter wurde schnell klar, dass man bei dieser neuen Motorgeneration nichts mehr wirklich selbst justieren und einstellen kann. Ein Computer übernimmt inzwischen die volle Kontrolle über das Motormanagement. Will man etwas ändern, so geht dies nur über ein Softwareupdate. Allerdings kann man dieses Updates nicht beliebig aufspielen. Es ist wie bei vielen Computern, von Windows 8 nach Windows 10 kann man upgraden, rückwärts aber nicht.

Also wurde lediglich der Speicher des Motorsteuergerätes zurückgesetzt, so dass ich es neu anlernen konnte.

Bei den ersten Kilometern war es frustrierend, denn das Ding ruckte bei 3.000 U/Min im dritten Gang bei konstant 60 km/h hin und her. Beim nächsten Tankstopp kam dann Benzin mit 102 Oktan in den Tank. Mit diesem frischen »Weltmeisterbenzin«, also der Sauce mit der Michael Schumacher zuletzt mehrfach Weltmeister wurde, ging es auf die Autobahn. Ich wollte sehen was geht und habe meine GS voll ausgefahren. Bei Geschwindigkeiten zwischen 160 und 200 km/h bin ich danach mehrere Stunden sinnlos durch die Gegend gerast. Das Ergebnis war verblüffend, nach weiteren 2-3 Tankfüllungen mit 102 Oktan Sprit, lief der Motor plötzlich rund und das KFR war fast verschwunden.

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Auch auf engen schwierigen Passagen lief der Motor jetzt relativ unauffällig mit weniger Fehlzündungen. Statt im 3. Gang bei 3.000 U/min mit Tempo 60 zu fahren, habe ich mir schrittweise angewöhnt die GS eher untertourig, bis ca. 50 km/h im 5 Gang und darüber hinaus im 6. Gang zu fahren. Wie bei meiner K1200r Sport ist dies das beste Mittel gegen Ruckeln und üble Schläge im Kardan.

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Nach etwas mehr als 4.000 Kilometern sind meine GS (Baujahr 2013, Modellreihe K50) und ich nun die besten Freunde. Über kleine Probleme, wie eine durch Vibrationen abgebrochene Halterung der Hupe, sehe ich einfach mal großzügig hinweg.

Das Gepäcksystem mit den Variokoffern gefällt mir sehr gut. Die Koffer lassen sich schnell und einfach vom Motorrad nehmen und danach sind keine fiesen Streben und Halterungen am Heck zu sehen. Das Design der GS ist ohnehin arg zerklüftet, da muss nicht das Heck auch noch mit überflüssigen Rohren verunstaltet werden.

Für besseren Sitzkomfort sorgt inzwischen eine Sitzbank von Wunderlich. Außerdem habe ich die Tourenscheibe Marathon und zusätzliche Flaps montiert, ebenfalls alles von Wunderlich. Am Bug war ein zusätzlicher Spoiler montiert und der vordere Schmutzfänger hatte schon eine etwa 10 cm große Verlängerung. Sturzbügel und LED-Zusatzscheinwerfer sind original BMW Zubehör und waren beim Kauf montiert.

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Weite Touren sind mit diesem Motorrad jetzt sehr entspannt und es ist für mich derzeit die größte Freude, meine alte Heimat das Sauerland zu erkunden und mich auf die nächste große Motorradtour vorzubereiten. Im September soll es mit der GS nach Korsika gehen und das mit so wenig Konstantfahrruckeln wie nur möglich.

Fazit

Konstantfahrruckeln kann man auch bei der ersten Generation der neuen Luft/Wasser-gekühlten BMW R1200 GS der Baureihe K50 in den Griff bekommen. In die aktuellen Modelle des Jahres 2017 und 2018 sind seit 2013 hunderte von Änderungen eingeflossen, so dass diese Modelle bereits ab Werk deutlich ruhiger und runder laufen, als die etwas ruppigen ersten Modelle.

Über die »Resonanzen aus dem Antriebsstrang« hatte ich Vorfeld viel gelesen und konnte mir nur wenig darunter vorstellen. Nun weiß ich was die Journalisten meinten, meine GS produziert rhythmische Vibrationen, die besonders im 4. Gang bei ca. 70 km/h deutlich spürbar sind. Fährt man das ESA Fahrwerk in die Position für zwei Fahrer hoch und bewegt das Motorrad dann allein, sind diese Vibrationen sehr stark. Ich habe mich daran gewöhnt, stelle das ESA Fahrwerk jetzt richtig ein und schalte auch hier häufig früh in den 5. oder 6. Gang. Die Resonanzen sind dann kaum noch spürbar und der Motor ruckelt ebenfalls nicht mehr.

Mit den Eigenarten meiner GS kann ich inzwischen ganz gut leben, zumal klar ist, dass ein Exemplar aus dem Jahr 2018 derzeit etwa 8.000 Euro teurer wäre. Im Jahr 2019 wird BMW sehr wahrscheinlich eine neue Motorgeneration vorstellen. Man kann davon ausgehen, dass diese Motoren ca. 150 PS liefern werden und anfangs mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben werden, wie die ersten Motorräder der Baureihe K50. In 2-3 Jahren eine gebrauchte 2017er GS zu kaufen, ist daher sicher keine schlechte Wahl.

Bis es soweit ist, werde ich meine GS/K50 durch die Welt bewegen und nicht weiter über KFR und andere »Charakterzüge« nachdenken.

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