Rolleiflex 3.5F

Kurzes Vorwort: Alle Bilder können durch Anklicken in 1000 Pixel Breite oder Höhe angezeigt werden…

Im Sommer 2006 steht beim Händler meines Vertrauens eine schöne alte zweiäugige Rolleiflex im Schaufenster. Sie sieht aus wie neu und hat ein hervorragendes Zeiss-Objektiv. Das Baujahr ist etwa 1960 – sie ist also deutlich älter als ich selbst. Herr Severin fackelt nicht lange herum, er schenkt mir einen Testfilm, drückt mir die Kamera in die Hand und wünscht mir viel Spaß mit meinem ersten Testfilm. Ich drehe eine kleine Runde durch die Stadt und bin begeistert von diesem vollmechanischen schrulligen Meisterwerk.

Für 600 Euro wechselt das schöne Stück ein wenig später den Besitzer!

Das erste Testbild auf Fuji Provia 100.

Die nächsten Wochen bin ich im 6×6 Fieber. Ein Scanner muss her! Ich entscheide mich für einen EPSON Perfection Photo V700. Zu kaufen gibt es ihn nirgendwo, aber ein örtlicher Händler kann ihn mir bestellen. Er kostet 649,- Euro und steht drei Tage später auf meinem Schreibtisch. Nach langen Nächten in diversen Foren wird mir klar, die Scanqualität hängt massiv von einem präzisen Vorlagenhalter ab. Die Höhe ist entscheidend! Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass ich die Dias einfach auf das Glas legen kann, weit gefehlt! Es geht hier um winzige Distanzen. Ein zehntel Millimeter mehr oder wenig entscheidet ob das Bild scharf gescannt wird oder nicht. Wichtig ist auch wie herum man das Dia einspannt. Nach einigen Testscans setze ich die Dias stets so in den Vorlagenhalter, dass die Filmemulsion nach unten weist.

Im Winter geht es dann auf die Kanaren, meine liebste Insel ist das Ziel – Teneriffa!

Die alte Rolleiflex erweist sich als echter Kontaktverstärker. Wo ich auch gehe und stehe werde ich von älteren Herren angesprochen die solch eine Kamera noch aus ihrer Kindheit kennen. Die Gespräche sind oft wirklich witzig. Daheim bin ich begeistert von den Farben des Fuji Velvia 50. Lange Nächte am Scanner mit unterschiedlichen Scan-Programmen folgen.

Irgendwann 2010 fällt mir auf, dass der Synchro-Compour Verschluss verharzt ist. Aber Herr Severin kennt einen früheren Rollei-Mitarbeiter. Für nur 90 Euro kann das Problem behoben werden.

Hier nun ein paar Beispielbilder aus über 50 Jahren „Fotogeschichte“.

Der Ansgar am Punta de Teno mit Gossen Lunasix und Rolleiflex 3.5F

Das sind wir Zwei – eigentlich sind wir zu dritt – ein Gossen Lunasix ist auch noch dabei…

Der Botanische Garten in Puerto de La Cruz hat es mir angetan. Schade, dass bei den verheerenden letzten Stürmen viele seltene alte Bäume abgebrochen sind.

Die Scans machen auch in Schwarz-Weiss eine gute Figur.

Das große Format der Rollei braucht lange Brennweiten. Mein NOKIA N95 hat ein 5mm Objektiv, die Rollei bei ähnlichem Blickwinkel 75mm. Bei 5mm Brennweite ist die Tiefenschärfe so enorm groß, dass eigentlich immer alles scharf ist. Perfekt für das schnelle Knipsbild aus dem Handgelenk, schlecht für Jene die ihre Bilder komponieren möchten und partielle Schärfe suchen um Teile eines Bildes zu betonen. Die Hintergrundunschärfe (Bokeh) der Rollei ist großartig!

Bokeh-Testbild

Die „Magie der Wasserfälle“ zieht viele Fotografen ihn ihren Bann. Fotografiert man mit einer modernen digitalen Spiegelreflex hat der Chip meist eine Empfindlichkeit von ISO-200. Um wirklich lange Belichtungszeiten realisieren zu können braucht man deshalb meist einen neutralen Graufilter der einfach ganz viel Licht schluckt. Aber der macht das Sucherbild auch dunkel und erschwert das exakte Fokussieren. Daher heißt es dann oft, Filter ab, scharf stellen, Autofokus aus, Filter drauf, auslösen, Filter ab usw. Sehr lästig.

Bei der Rollei kann man einen Fuji Velvia 50 einlegen und hat schon einen „unsichtbaren Graufilter“  – viermal so lang kann man damit belichten, hat ein helles Sucherbild und kann sich auf das konzentrieren was Spaß macht.

Auch gescannte Fotos können beliebig nachbearbeitet werden. Hier ein Beispiel für ein Bild auf das ich mal ein „Pfund Tonemapping“ gegossen habe.

Man muss es nicht mögen – ist ja auch nur ein Beispiel. 🙂

Allerkrassestes Schwarz-Weiß ich auch kein Problem…

Zum Abschluss noch ein locker aus der Hüfte geschossenes Knipsbild. Dadurch, dass man die Rollei lässig vor dem dicken Bauch hängen lassen kann gibt es beim Fotografieren auch viel Ruhe. Diese Kamera kennt keinen Spiegelschlag und braucht keine Spiegelvorauslösung. Steht man ruhig, so sind Belichtungszeiten von 1/15s möglich. Auch unbemerktes Fotografieren funktioniert sehr gut. Man kann alle Kontrollelemente sehr gut von oben ablesen. Da die Kamera beim Auslösen fast keine Geräusche macht, fällt es auch nicht auf wenn man den ein oder anderen „intimen Schuss“ landet. Manchmal ist das wirklich praktisch.

Zuletzt noch der Hinweis, dass man aufgrund der Haltung der Kamera eigentlich immer  mit den „Augen eines Kindes“ fotografiert. Der zumeist niedrige Standpunkt gibt den Fotos einen besonderen Look. Um den gleichen Eindruck zu erhalten, gehe ich mit einer „normalen“ Kamera meist kräftig in die Knie und versaue mir eine Hose nach der anderen.

Eine Rollei spart also auch die Kosten für die Reinigung 🙂

6 Kommentare zu „Rolleiflex 3.5F“

  1. Ich wäre dann auch einer der älteren Herren, falls wir uns einmal begegnen sollten. Falls du mal sehen willst, welche Wunder eine Rollei bewirken kann, dann google mal nach Vivian Maier (Ich wage nicht, die URL hier zu posten, wegen deinem Spamfilter.)
    Schöner Blog, gute Bilder, weiter so!

  2. Pingback: Nikon D800 – Ein Wertanlage? « Ansgar's BLOG

  3. alex staruszkiewicz

    klasse Artikel über eine geniale Kamera, ganz aktuell auch der Artikel über Vivian Maier, die unbekannte Fotografin, die grossartige Bilder mit dieser Kamera gemacht hat.
    Gruss Alex

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Translate »
Scroll to Top