Kieferoperation

Schon vor der Weihnachtsreise nach Teneriffa hat mir mein Kieferchirurg anhand einer 3D-Röntgen-Aufnahme erklärt, dass im Oberkiefer der rechte Zahn neben dem Scheidezahn, trotz Wurzelspitzenresektion vor ein paar Jahren, wieder stark entzündet ist. Die Entzündung geht durch reicht bereits fast bis in die Mundhöhle. Auf Teneriffa beginnt der Zahn dann zu pochen und zu tuckern. Gut, dass es ein Telefon gibt und so mache ich noch am 30.12.2010 den nächst möglichen OP Termin klar.

Am 13. Januar 2011 ist es dann soweit. Morgens gibt es im Mainzer Quartier 65 noch einmal das beste Frühstück der Welt, danach geht es für ein paar Stunden zur Arbeit und dann nach Hause. Unterwegs macht sich langsam Lampenfieber breit. Als Sandra kommt werden noch einmal kräftig die Zähne geputzt und dann geht es los zum Chirurgen nach St. Augustin. Dort muss ich nicht lang warten, es gibt gleich zwei Spritzen. Die in den Gaumen gut echt weh, danach habe ich einen Schweißausbruch. “Das haben Sie gut gemacht!” lobt mich der Doc, eigentlich sollte ich ihn loben, dass es nicht noch schlimmer war. Zu Belohnung gibt es zwei Ibuprofen und ein Stückchen Traubenzucker.

Als nach 15 Minuten der Gaumen taub ist und sich mein Gesicht wie eine Melone anfühlt geht es los. die Lippe hochklappen und dann mit dem Skalpell das Zahnfleisch aufschneiden. Wieder einmal kommt in mir die Assoziation auf, dass sich genau so ein Auto mit Blechschaden in der Werkstatt fühlen muss. Dann die niederschmetternde  Nachricht, der Zahn ist längs gebrochen und muss sehr bald raus. Durch die Wurzelfüllung vor 30 Jahren (meine Erste) ist der Zahn so spröde geworden, dass er unter seiner Krone irgendwann zerbrochen ist. Danach sind scheinbar Keime durch den Riss in den Kiefer gewandert, so dass dieser sich dann entzündet hat. Dann kommt der Doc mit der Fräse! Mir kommen Horrorstreifen à la “Hostel” in den Sinn. Während er mit der Fräse das entzündete Knochengewebe entfernt erklärt er mir was zu tun ist. Verstehen tue ich davon fast nichts, denn es kreischst und heult in meinem Kopf. Die Fräse ist sicher vonr Black & Decker oder Metabo… Egal, das wichtigste bekomme ich noch mit und es tut vor allem nicht wirklich weh.

Danach wird genäht, an der Lippe spüre ich den Faden und muss diesmal an Angelschnur und die Rouladen denken die meine Mutter früher mit Zwirn eingewickelt hat. Nach ein paar Minuten gibt es noch ein Spritze mit einem Gefäß-verengenden Medikament. “Nicht erschrecken, jetzt gibt es noch einen kleinen Piks…” Mir ist inzwischen fast alles egal, zu sehr haben mich die schlechten Nachrichten gefrustet.

Sandra hat inzwischen noch ein Rezept für Novalgin klar gemacht. Mit dem Rezept in der Tasche geht es heim. Daheim beginnt es zu pochen und zu tuckern. Mit einem eiskalten Gelkissen auf dem Gesicht schlafe ich schließlich ein.

Am nächsten Morgen fühlt sich mein Kopf nicht nur an wie eine Melone, er sieht auch so aus!

Zum Frühstück gibt es Ibuprofen 600 und Clinda Saar 600 – lecker! Danach mit einem Kühlkissen zurück ins Bett. Was für beschissener Tag… Sandra ist um 5h zur Arbeit gefahren und hat das Gelkissen vom Bett in das Gefrierfach überführt – sehr gut – “Es gibt Eis Baby” würde Helge Schneider singen…

Während ich im Bett liege überlege warum mein Melonenkopf die Gelkissen schneller erwärmt als das Gefrierfach sie abkühlen kann. Die Intervalle Bett-Kühlschrank-Bett-Kühlschrank werden mit der Zeit kürzer. Ob es daran liegt, dass mein Kopf wärmer ist als das Gefrierfach kalt ist? Oder liegt es am besseren Wärmetransport meiner dicken Melonenbacke?

Als Sandra später am Abend heim kommt bringt sie fünf weitere Gelkissen mit. In Verbindung mit den Novalgin-Tropfen ist der Abend dann gerettet.

Sandra würde gern einen Spielfilm anschauen. Ich habe noch ein paar Blue-Rays im Regal die wir noch nicht angeschaut haben. Meiner sarkastischen Art folgend gibt es Reproman. Während der Reproman lauter künstliche Organe aus Leuten heraus schneidet die ihre Raten nicht zahlen können wechsle ich alle paar Minuten die kalten Gelkissen und denke mit Grausen daran, dass der ganze Spaß bald weiter geht wenn sich mein privater “Reproman” des kaputten Zahnes annehmen wird. Ok, ich Gegensatz zu den zahlungsunfähigen Kunstherzpatienten werde ich dabei nicht versterben – hoffentlich – aber unangenehm wird es wohl trotzdem werden.

Am nächsten Tag ist das Gesicht immer noch geschwollen und nun zeigt sich auch langsam ein schönes blaues Veilchen unterhalb dem rechten Auge. Mir kommt das Lied “Rot Blau Violett Grün Gelb” der Band “Goehtes Erben” in den Sinn. In diesem Lied besingen sie das Farbenspiel welches mein Gesicht innerhalb der nächsten Wochen durchlaufen wird… Zwischen Novalgin und kalten Gelkissen gibt es “Der letzte Mohikaner“mit Daniel Day Lewis. Danach “Centurion” auf Blue-Ray.

 

 

Während wir Centurion anschauen kommt uns die Geschichte seltsam vertraut vor. Un beschleicht das Gefühl, dass hier ein Drehbuchautor beim Anderen abgeschrieben hat… Aber egal, es ist zwar brutal aber doch unterhaltsam.

 

Später dann “Valhalla Rising” mit Matts Mikkelsen als schweigendem einäugigem Wikinger. Kein einfacher Soff, der Typ spricht im ganzen Film wirklich kein einziges Wort. Statt dessen haut er einem nach dem anderen die Rübe ein. Sandra wird es irgendwann zu bunt und sie wandert rüber ins Schlafzimmer. Ich schaue mir die letzten 45 Minuten im “Fast Forward” an. Danach weiß ich, diesen Film brauche ich kein zweites Mal zu sehen.

Aber es muss im Cineastischen Leben auch mal eine Niete geben! Aber irgendwie passt sein Look dazu wie sich mein Gesicht anfühlt…

Dank Novalgin wird die nächste Nacht relativ ruhig. Morgens fühle ich mich etwas besser, aber das Veilchen blüht deutlich farbenfroher als am Vortag. Es wird Frühling, zumindest in meinem Gesicht…

0 Kommentare zu „Kieferoperation“

  1. Na so etwas wünscht man ja auch keinem. Ich hatte bisher Glück, dass mir nur die Weisheitszähne gezogen wurden. Aber auch das war der totale Horror für mich!

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