Vatertag

Es ist Mittwoch der 2. Juni 2011 und es ist mal wieder „Vatertag“. Eigentlich ist ja „Christi Himmelfahrt“ – aber wenn es einen „Muttertag“ gibt, sollte es vielleicht auch einen „Vatertag“ geben, oder? Keine Ahnung wer sich das ausgedacht hat, aber an diesem Tag ziehen allerorts betrunkene Männer durch die Gegend. Teilweise sitzen sie in kleinen Planwagen die von einem Trecker gezogen werden und trinken warmes Bier in großen Mengen. Das ist nichts für uns!

Am Vortag haben wir uns noch schnell für 11h mit meinem Freund Anas verabredet. Anas wohnt bei Frankfurt und arbeitet in Bonn. Ich wohne eigentlich in Bonn und arbeite bei Frankfurt – verkehrte Welt… An meinen Motorrädern kleben die Leichen tausender kleiner Fluginsekten. Da wir viel früher wach geworden sind als gedacht, nehme ich mir einen Eimer und einen Schwamm aus der Abstellkammer und fülle ihn mit heißem Wasser. Ich könnte die Mopeds ja mal wieder ein wenig säubern bevor es wieder los geht. Sandra ist gerade im Bad, dort wären die Putzmittel. Hm, ich erinnere mich an eine Folge von Galileo bei der verschiedene Strategien für eine Autowäsche vorgestellt wurden. Jemand hat dort versucht mit Cola die toten Fliegen von seinem Auto zu waschen. Das scheint sogar gut zu funktionieren, allerdings ist das Auto danach klebrig wie Gaffa Tape. In der Küche finde ich eine Flasche Essig-Essenz und Spülmittel. Das sollte auch gehen. Bei Galileo hieß es, dass Essig die kleinen Fliegenleichen gut ablösen kann. Ich starte meinen eigenen Versuch.

Eine halbe Stunde später stehen beide Motorräder relativ sauber in der Sonne und wir warten auf Kumpel Anas. Die Mischung funktioniert recht gut. Anas kommt auf die Sekunde genau mit seiner CBR-1100 um die Ecke gebogen. Er wäre schon früher angekommen, aber es ist mal wieder einer der vielen Bahnübergänge gesperrt. Na, so lernt man seine neue Heimat kennen 🙂

Wir sprechen uns kurz ab und starten dann in Richtung Café Fahrtwind. Sandra und mir knurrt der Magen, wir freuen uns auf ein entspanntes Frühstück in der Mittagssonne. Bei der Ausfahrt Meckenheim ist dann wieder ein Stau auf der Autobahn, ja hört das denn niemals auf? Alle die gestern nach Bonn gefahren sind wollen heute scheinbar in die Eifel. Das sieht nicht spaßig aus und wir fahren gleich wieder ab in Richtung Meckenheim. Mein TomTom berechnet die Route neu und will links abbiegen, warum nicht? Letztlich führt es uns einmal im Kreis und will dann zurück zur Autobahn. Als ich endlich erkenne was das kleine Ding zu denken scheint – können Navis denken? – halte ich kurz an und ändere die Routenführung auf „Autobahn vermeiden“. Es geht weiter, das TomTom möchte jetzt über Adenau fahren, warum nicht? Doch dann ist schon wieder alles vorbei, wir stehen vor dem nächsten Stauende. Scheinbar haben sie es alle so gemacht wie ich „Stau umfahren auf den nächsten 10 Kilometern“ – na prima…

Wir stimmen uns kurz ab und schon ist die Planung mit dem Frühstück im Café Fahrtwind Geschichte. Es geht nach Rheinbach. Dort im Brauhaus kann man schön draußen sitzen und es sich gut gehen lassen. Gegen 12h30 geht es dann weiter in Richtung Gerolstein. Dort war ich schon lange nicht mehr, es ist nicht das primäre Touristenziel und der Weg dorthin ist sehr schön. Wir nutzen die Routenführungsoption „Kurvenreiche Strecke“ und das TomTom findet lauter schöne Straßen. Es geht auf verschlungenen Pfaden durch verwunschene Wälder. Zwischendurch immer mal ein Stück Bundesstraße und dann biegen wir wieder ab auf den nächsten „Trampelpfad“. Viele Strecken kenne ich noch von meinen ersten „Expeditionen“ als ich 1993 nach meinem Umzug in Richtung Bonn begonnen habe meine neue Heimat zu erforschen.

In Gerolstein finden wir dann eine tolle Eisdiele. Es ist schon Nachmittag und der Hintern tut schon ziemlich weh. Nach dem Eis wollen wir die Mopeds auftanken und weiter in Richtung Oberwesel fahren. Dort sollen sich unsere Weg trennen. Anas will heim in Richtung Frankfurt und wir wollen nach Norden in Richtung Bonn. Sandra wünscht sich eine Fahrt ohne ständige Spitzkehren, einfach auf der Bundesstraße dahingleiten. Kein Problem, das TomTom kann das – IQ-Routes heißt das. Aber zuerst wollen wir tanken. Bei der Tankstelle tauschen Anas und ich dann mal die Mopeds. Nun fahre ich mal Honda CBR-1100 – eine „Double X“. Es ist ein krasses Teil, der Motor leistet etwa 150 PS. Das Ding ist schwer wie die Hölle und liegt auf der Straße wie ein Brett. Tief gedruckt hänge ich am M-Lenker. Diese Sitzposition ist wirklich sportlich – nichts für mich – immer wieder ertappe ich mich dabei wie ich mich am schmalen Lenker abstütze. Dieses Bike dirigiert man eher durch Gewichtsverlagerung als mit dem Lenker. Der Motor ist bärenstark, hat richtig Bums und läuft auch im Teillastbetrieb sehr ruhig. Mit 50 Km/h im 4. Gang durch eine Ortschaft zu trödeln ist gar kein Problem. Da sind meine BMWs irgendwie nervöser.

Bei Cochem erreichen wir die Mosel und stehen eine halbe Ewigkeit an einer Baustellenampel. Als es endlich grün wird, eröffnet sich uns das gesamte Ausmaß dieser Baustelle. Ganz Cochem ist eine Baustelle und auf der Hauptstraße unten an der Mosel staut sich der Verkehr über viele Kilometer. Es ist inzwischen wirklich warm und ich bin froh, dass wir am Stau vorbeifahren können. Es geht weiter entlang der Mosel. Bei Treis-Karden kreuzen wir die Mosel und schon wieder geht es in Serpentinen die Berge hinauf. Oben angekommen gibt es eine kleine Kappelle mitten in den Feldern. Hier habe ich schon oft Mopedfahrer bei einer kleinen Pause gesehen. Warum sollten wir hier nicht auch mal rasten?

Als die Motorräder abgestellt sind, stelle ich fest, dass Sandra nicht wirklich fröhlich ist. Sie hat ihre Belastungsgrenze erreicht und will eigentlich nur noch nach Hause. Sie schimpft herum und fragt mich, ob ich meinen männlichen Ego-Trip endlich beenden kann. Ich bin gelinde gesagt ‚überrascht‘. Wir ruhen uns also ein wenig aus und diskutieren das Für und Wieder der vollkommen unterschiedlichen Motorradkonzepte. Als es wieder losgeht fühlt sich meine BMW irgendwie anders an, irgendwie noch besser als früher. Ich sitze ganz entspannt und das Ding fährt sich im Gegensatz zur CBR-1100 fast wie ein Fahrrad. Es ist eher ein „Opa-Motorrad“ – genau richtig für mich 🙂

Kurz vor Oberwesel haben wir einen fantastischen Blick hinab ins Rheintal. Hier würde ich gern anhalten und ein paar schöne Fotos machen, aber wir haben keine Kamera dabei. An einer kleinen Anhöhe sieht es so aus als wäre dort ein kleiner Aussichtsplatz, also Blinken und raus. Aber es ist nur der Anfang eines staubigen Feldweges. Unter den verwunderten Blicken meiner „Beifahrer“ fahre ich wieder weiter. In Oberwesel finden wir bei einem Italiener ein schönes schattiges Plätzchen. Es gibt ein Steak mit Fritten und Salat – lecker!

Inzwischen ist es Abend geworden und wir verabschieden uns um etwa 19h30. Zwei Stunden ist es noch hell und vor uns liegen noch etwa 100 Kilometer bis nach Bonn. Sandra fährt ein Stück vor mir her. So kann ich die Landschaft genießen, habe sie im Blick und muss mir keine Sorgen machen. Fährt sie hinter mir, so muss ich ständig in den Spiegel schauen um zu checken ob alles ok ist. Sie versteht das nicht wirklich, sie fährt eigentlich am Liebsten am Ende der „Karawane“. Doch das hat Anas den ganzen Tag über schon gemacht. „Warum muss ich jetzt schon wieder vorfahren“ scheint sie zu denken. Irgendwie ist das alles nicht so einfach. Fahre ich vor, bekomme ich beim nächsten Stopp zu hören, dass ich wieder mal zu schnell gefahren bin oder zu wenig Pausen gemacht habe. Selbst vorfahren will sie aber nicht, weil sie sich dann bedrängt fühlt und den Weg nicht kennt. Wie löst man diesen Konflikt??

Ab Koblenz fahre ich vor, ganz langsam. Die Sonne steht tief und blendet, es ist nicht wirklich angenehm. Ich fahre nicht schneller als 80 und schaue permanent in den Rückspiegel. Als wir daheim von den Motorrädern steigen ist Sandra kurz vor dem Umfallen, sie kann nicht mehr und ist völlig am Ende. Später gibt es die 8. Staffel von 24. – Jack Bauer muss wieder ordentlich was einstecken und die ganze Welt vor den bösen Buben retten. Wir schauen uns drei Folgen an und schlafen dann wie die Murmeltiere.

Mitten im Schlaf knackt dann etwas in meinem Mund. Ich werde wach und spüre etwas scharfkantiges auf der Zunge. Ohje, was ist das denn? Schlaftrunken taumle ich ins Bad. Vor dem Spiegel wird mir klar was geschehen ist. Ich habe scheinbar so krass mir den Zähnen geknirscht, dass der linke Schneidezahn zerbrochen ist. Nicht schon wieder! Hört das denn nie auf? Gerade habe ich eine erfolglose Kieferoperation hinter mir. Danach wurde der gebrochene Eckzahn gezogen und ich versuche mich jetzt an die Delle im Kiefer und die neue Brücke zu gewöhnen. Nun bricht der andere Schneidezahn auseinander. Das darf alles nicht wahr sein. Das abgebrochene Stück bleibt im Bad vor dem Spiegel und ich gehe frustriert zurück ins Bett.

Am nächsten Morgen bin ich früh wach. Die Sonne scheint und der Zahn ist krass scharfkantig. Es ist als hätte ich einen spitzen Säbel dort wo ein Zahn sein sollte. Um 8h rufe ich beim Zahnarzt an, aber es ist nur der Anrufbeantworter erreichbar. Um 9h10 versuche ich es erneut. Es klingelt, dann ist die Leitung unterbrochen. Ich rufe erneut an und habe wieder nur den Anrufbeantworter in der Leitung. Alle weiteren Versuche schlagen fehl. Ich werde es also am Montag versuchen müssen oder eine Woche lang mit einem zerborstenen Zahn herumlaufen müssen. Mein Leben als „Externer“ ist manchmal nicht so einfach. Meist bin ich dort wo genau das nicht ist was ich gerade brauche. Sei es eine Werkstatt, ein Zahnarzt oder sonst etwas.

Nun aber ab unter die Dusche und dann wird hier ein wenig aufgeräumt…

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