Später am Nachmittag fahren wir in westlicher Richtung bis Buenavista del Norte. Dort biegen in Richtung Masca nach Süden ab. Nach gefühlten 50 Spitzkehren erreichen wir ein kleines Dorf. Dort zweigt nach rechts eine kleine Straße ab, es geht weiter nach Teno Alto. Mein Garmin Colorado hängt endlich mal wieder an der Windschutzscheibe und es stellt sich langsam das „Indiana Jones Feeling“ ein. Hinter uns ist ein eiliger Spanier, als die Straße etwas breiter wird lassen wir ihn passieren. Der Asphalt wird schlechter und die Straße windet sich den Berg hinauf. Einige Minuten Später kommen uns zwei grinsende Omis in einem Opel Corsa entgegen. Prompt ist das „Indiana Jones Feeling“ wie weggewischt… Woher die beiden wohl kommen? An unserem Wandertag hieß es, dass Wanderboss Heinz für den nächsten Donnerstag eine Wanderung im Teno-Gebirge plant. Zum Abschluss einer jeden Wanderung plant er meist einen Besuch in einem netten Restaurant ein. So eng wie hier die Straße ist, kann ich kaum glauben, dass es hier hier ein Restaurant geben soll. Aber diese Insel hat mich ja schon so oft überrascht, dass sie mich eigentlich gar nicht mehr überraschen kann 🙂
Die schmale holprige Straße windet sich durch das Gebirge, die Sonne steht schon tief und die Landschaft ist wirklich zauberhaft. Nur das Meer können wir nicht sehen. Eigentlich hatte ich gehofft, dass wir einen Punkt finden von dem man einen tollen Blick auf La Gomera hat. Angesichts der tief hängenden Wolken bin ich inzwischen skeptisch. Es sieht eher so aus als würde diese Tour ohne nette Fotos zu Ende gehen.
Nach einer Weile erreichen wir ein kleines Örtchen. Hier am Ende der Welt gibt es tatsächlich menschliches Leben. Das Örtchen heißt Teno Alto, wir sind also fast am Ziel. Und tatsächlich gibt es hier ein Restaurant, ich bin beeindruckt. Es sieht sogar alles ganz nett aus. Kurz hinter dem Restaurant gabelt sich die Straße. Wo geht es lang? Ich entscheide mich für „Links“ – das sieht aus als ginge es in Richtung Sonnenuntergang. Die Straße wird etwas besser, aber vom Meer trennen uns immer noch ein oder vielleicht auch mehrere Felskämme. Ein paar hundert Meter weiter gabelt es sich erneut, wo nun entlang? Ich entscheide mich wieder für „Links“. Die Straße ist nun ein schlecht betonierte Piste mit einer Regenrinne in der Mitte. Sandra ist relativ entsetzt, ich habe das „Indiana Jones Feeling“ zurück gewonnen.
Hoffentlich kommt uns jetzt niemand entgegen!! Nach jeder Kurve sieht die Landschaft anders aus und ich sende ein neues Stoßgebet gen Himmel. Und, das wirkt sogar! Wir haben keinen Gegenverkehr!
Schließlich zweigt die Straße nach rechts ab, nach Norden. Das sieht nicht zielführend aus, vor uns ist eine Art Bunker oder Wasserwerk in einen Hügel hineingemauert. Ich parke unseren Opel und schaue mich zu Fuß ein wenig um. Es sieht so aus, als könnte man zu Fuß den letzten „Hügel vor dem Meer“ erreichen. Sandra ist es zu kalt und zu windig. Sie hat das Feeling nicht und will lieber im Auto bleiben und ihren Krimi weiterlesen. Ich schnappe mit die D700 mit dem AF-S VR 4/16-35mm. Der Batteriegriff ist noch dran, mehr nicht. Stativ, Filter und was nicht alles bleiben im Kofferraum. Eine winddichte Jacke ziehe ich auch noch über, es sind nur etwa 14°C, wir sind etwa 1000 Meter hoch.
Zu Fuß geht es den Hang hinab. Auf er rechten Seite ist ein „angefressener“ Hügel aus Asche vulkanischen Ursprungs. Es gibt einigen recht tiefe Höhlen. Darin liegt Müll und es sieht aus als wären schon Menschen hier gewesen. Ich gehe mal hinein, es riecht auch nicht gut! Aber man hat einen interessanten Blick nach draußen. Ok, mit er „False Kiva“ im Canyonlands Nationalpark können diese Höhlen nicht mithalten, aber sie sind trotzdem nett. Leider kann ich hier praktisch nicht fotografieren. Entweder ist die Höhle stockschwarz oder die Landschaft draußen völlig überbelichtet. Spätestens jetzt hätte ich gern einen Kabelauslöser und ein Stativ dabei…
Es geht weiter den Hügel hinab. Auf der rechten Seite finde ich am Fuße des kleinen Hügels eine Finca. Sie sieht verlassen aus, aber es steht ein großer weißer SUV davor. Am Horizont sind weitere einsame Gebäude zu sehen. In der Ferne höre ich Schafe und es bellt ein Hund. Vorbei an einer verlassenen Finca und ausgedehnten Feldern mit saftig grünen Kakteen geht nach links wieder bergauf. Danach erhoffe ich mir einen Blick auf das Meer. Und tatsächlich, plötzlich liegt vor mir La Gomera, leider umhüllt von dicken Wolken. Schade, man kann die Insel eigentlich gar nicht erkennen. Die Sonne steht schon tief, es sind vielleicht noch 20 Minuten bis zum Sonnenuntergang. Ich laufe ein wenig herum um mir einen guten Punkt für eine schönes Foto zu suchen.
Plötzlich finde ich weiter unten eine weitere nette Ruine. „Propierto Privado“ oder so ähnlich steht es auf einem Schild geschrieben. Ich muss daran denen wie ich 2009 am Waterholes Canyon plötzlich eingesperrt war und der Polizist nur sagte „This is a private property“ – nach dieser Erfahrung fällt die Übersetzung nicht weiter schwer…
Ich steige über die Abgrenzung und hoffe nur, dass mir nicht gleich ein knurrender Hund am Hosenbein hängen wird. An der Runine sieht es dann eigentlich ganz cool aus. Meine Kamera kann ich auf den alten Mauern ablegen und so kann ich sogar das eine oder andere HDR schießen. AF und VR schalte ich dazu aus. Die Kamera stelle ich auf „A“ wie „Aperture Priority“ – also Blenden-Priorität. So bleibt bei jedem Bild einer Belichtungsreihe die Tiefenschärfe immer gleich. Das Bracketing stelle ich auf 7 Bilder mit einer Blende (1 EV) Unterschied. Die Bildfolge steht auf kontinuierlich und schnell (CH). So entstehen dann doch mehrere Belichtungsreihen. Später auf der Finca an meinem MacBook bin ich überrascht wie gut sie doch ganz ohne Stativ, Kabelauslöser und Spiegelvorauslösung geworden sind.
Der Sonnenuntergang selbst ist völlig unspektakulär. Die Sonne versinkt einfach hinter den Wolken über La Gomera und es wird dunkel, that‘s it. Ich trete den Rückweg an und muss daran denken wie ich im Frühjahr zusammen mit Alan Vasenius im Monument Valley auf das famose „Schattenspiel“ von „Left & Right Mitten“ gewartet habe. Damals ist nicht aber auch gar nichts aus diesem Schattenspiel geworden, aber statt dessen hatten wir den genialsten Sonnenuntergang des gesamten Trips. Alan hat damals auf dem Rückweg zum Auto nur mit den Schultern gezuckt und gesagt „Well, that‘s outdoor photography!“
So ähnlich sehe ich es auch heute, mal hat man Glück und mal hat man Pech. Wüsste ein Angler vor dem Angeln was anbeißen wird hätte er auch nur den halben Spaß. So geht es mir auch mit der Fotografie, mal gewinnt man, mal verliert man. Heute war ich irgendwo dazwischen.
Oben auf der Anhöhe kann ich unseren Opel schon sehen. Ich schwenke wild die Arme, vielleicht kann Sandra mich ja sehen. Als ich etwa 15 Minuten später am Auto eintreffe ist sie ziemlich fertig mit den Nerven. Kaum war ich weg kamen drei Spanier vorbei und wollten etwas von Ihr, was sie allerdings aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht zu deuten vermochte. So hat sie etwas verängstigt im Auto gesessen, das Beifahrerfenstern einen Spalt breit geöffnet und nur „No Problemo“ gesagt. Irgendwann sind die Typen dann abgezogen. Aber Sandra war trotzdem verunsichert, vielleicht auch weil es in ihrem Krimi um eine einsame Frau geht die von bösen Buben belagert wird.
Wie dem auch sei, sie ist jedenfalls froh als es mit hereinbrechender Dunkelheit endlich zurück geht. Als die gefühlten 100 Spitzkehren endlich geschafft sind steht mein Magen quer. Diese Fahrerei macht mich total fertig. In Garachico angekommen parken wir das Auto und lassen es uns im gleichen Restaurant das wir schon am Vortag besucht haben gut gehen.
Zurück an der Finca ist es nach 21h, es ist kalt und dunkel. Ich freue mich über eine heiße Dusche während Sandra schon wie ein Stein ins Bett gefallen ist. Was für ein schöner Ausflug.
Wirklich sehr schöne Bilder!!
Ist ja witzig. In der vorigen Anmerkung erwähnte ich noch, wie gut es mir am Teno Alto gefallen hatte, dabei wart Ihr dann sowieso dort. 🙂
Mir gefiel diese Einsamkeit und die weit verstreuten Fincas so gut. Ihr wart zwar an einer anderen Stelle, als wir. Aber da oben ist es ja ganz schön weitläufig.
Deine Fotoausbeute find ich nicht nur ‚mittel“, sondern sehr gut.
Lg Gabi